# 006 / Eine von uns ist die Frau
küsse, bisse
Eine Collage
I.
fünf schweißerfüllte sonnen
wie eine reife südfrucht aufgebrochen
wie spreu vor winden
aus dem firmanent geholt
und eine noch
und wieder
und noch eine
stürzen stürzen
wie in der feueresse
zehntausend sonnen zu einem glutball eingeschmelzt
so geht die sonne
eine sonne später
rückwärts strebend
von bloßem klang erregt
an einem frühlingstage auf
ein wind erhebt sich; tag wird es
der blick drängt unzerknickt
in hecken von holunder
es ist nur einer zu sinken wert
ein tagsstern unter bleichen nachtgestirnen
groß wie ein riese in der morgensonne
ganz fremd, ganz unbegreiflich
die eine glanzerscheinung mir
meines blutes bessre hälfte
das ganze maß von glück
komm. gib mir deine hand
komm, ruhe dich bei mir ein wenig aus
II.
hungerheiß
in den goldzaum beißend
hebt sie sich auf
aus wolken misst sie die wand
gleich einer schwindelnden
in ihre kleinen hände
jetzt hier jetzt dort
der absturz ist
der erde grund
mit ihrer schlünde dampf
rings
klimmen
sinnberaubte
III.
wie blei
bedeckt sind alle hügel
bleich und verstört das leicht bewegliche
wie wassersturz in wilder überschwemmung
von treibenden verhältnissen gedrängt
ein see, ein bläulicher
im palast ein hecht
ein ottern- oder ratzenpaar im bette
blicken in das unendliche hinaus
reiten sie auf stürmen?
IV.
zwei erboste wölfe
zahn im schlund des andern
wie donnerkeile
noch nicht ausgewütet aus gewölken
die verbißnen
verschlingen die straße
staub wie gewitterwolken
umqualmt sie
der stern auf dem wir atmen
bis zum fuß herab zerspalten
auf diesen feldern
ists staub ists blut
ein atem mörtel und gestein
V.
heulend die entkoppelten nahn
gleich einem vogel
mit eingeknickten fittichen
herabgestürzt
unter kühlen fichten
brautwerber, gefiederte, genug in lüften
raunen in das ohr
ihre wünsche todgeflüster
die wolke heillos überschwebt
irrgeschwätz
in beiden kammern dieser brüste
den fittich lähmt
der freude spur wie maienfrost
in dem durchschmetterten granatwald
und das gefieder wie ein besudelt kind
in des siegs hörbaren flügelschlags
VI.
namen schwinden
ausgeschmiedet
aus der urne alles heilgen
nichts als ein dunkler grund, nur folie
übrig blieb
das ganze prachtgeschlecht der welt ging aus
und fiel zusammen, eh vollendet
schicksalszunge
schreckenspomp
aus wetterwolken kommt bleich das wort
vertilgergott
in mein herz, wie seide weiß und rein
marsbräute
kein name nennt
VII.
silberstimme, ihr mißschicksal
schallt roh in das unendliche hinaus
das herz gespießt wie ein blatt
gekocht und ausgespien
zerschmelzt in reue
still und weich
sie hatte eine schöne mutter
nun sieht sie wieder in die welt hinaus
von ausdruck leer
mensch nicht mehr
ihr auge schwillt
alles wie es sich gehört
VIII.
grab ein vernichtendes gefühl
mit diesen kleinen händen
dass sich die enden küssen
im gebiet der möglichkeiten
einen helm voll wasser flüchtig schmecken
und tun mit grazie was die not erheischt
gedrängt zugleich von vorn und hinten
zerrissen, aufgelöst
verfolgt, gesucht, gegriffen und bekränzt
ein schmaler pfad
für einen wunsch der keine flügel hat
ist die welt ein höllenrachen
in des verstandes sonnenfinsternis
nirgends oder dort soll ich von seiner vers
(aus „Penthesilea. Ein Trauerspiel“ von Heinrich von Kleist)
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KARAWA.NET ERSCHEINT ZWEIMAL JÄHRLICH / ISSN 2192-1954
